Zu Fuß durch die Weltkulturerbe-Stadt Quedlinburg

Kleinstädte, die in ihrem Kern aus mittelalterlichen Fachwerkbauten bestehen, gibt es in Deutschland sehr viele. Im Positiven davon unterscheidet sich Quedlinburg, eine kleine Stadt am Rande des Harzes, die 1994 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Hier sind nicht nur der Marktplatz und einige angrenzenden Straßenzüge vom Ursprung her erhalten, sondern der komplette mittelalterliche Stadtgrundriss nahezu unverändert geblieben. Das Besondere: Mehr als 2000 Fachwerkhäuser bilden auf engstem Raum sechs Jahrhunderte Fachwerkgeschichte ab.

Der Besucher weiß nicht, wohin er zuerst den Blick richten soll und welches Gebäude seine besondere Aufmerksamkeit verdient hat. Wer sich zu Fuß auf den Weg in das Zentrum begibt, wird sich zunächst aber erst einmal an dem dumpfen Abriebgeräusch der Reifen der Autos gestört fühlen, die die vorbeifahrenden Fahrzeuge auf den breiteren Straßen in der Altstadt hinterlassen. Pflaster anstelle von asphaltierten Straßen stehen für ein Stadtbild, aus dem in der damaligen DDR sich nicht zwangsläufig ein historischer Charakter der Stadt ableiten ließ. Bei Quedlinburg ist dies anders

Die historische Innenstadt hat auf 85 Hektar 1000 Jahre Architekturgeschichte zu bieten, die vom Ständerbau bis zum Jugendstil reicht und alle Entwicklungen der Fachwerktechniken und –stile reichen. Zum Beweis dafür lenkt der versierte Stadtführer Hans-Joachim Noske die Schritte seiner Gäste in den Marktkirchhof, wo auch dem Laien sich die Unterschiede der Epochen rasch erschließen. Vier und mehr Stockwerke hoch ragen die ehemaligen Kaufmannshäuser eng aneinander gen Himmel. „Fachwerk über vier Jahrhunderte steht hier Haus an Haus“, beginnt der Fachmann die Unterschiede herauszuarbeiten.

Das Gebäude mit der blauen Fassade aus dem Jahr 1577 besticht durch seine Balkenköpfe. Das rote Gebäude rechts daneben wurde 1630 errichtet und ist bereits deutlich schlichter gestaltet. Noch nüchterner präsentiert sich die Front des letzten Hauses, das die Architektur des 18. Jahrhunderts verkörpert.

Eine Besonderheit, die es angeblich in Deutschland nur hier gibt und einzigartig ist: Das Café nebenan wirbt damit, sich über sieben Gebäude zu erstrecken. Tatsächlich täuscht die schmale Fassade immer wieder über die restaurierten Innenräume hinweg, die zweckmäßigerweise an den ursprünglichen Außenmauern nicht Halt gemacht haben. Mit einer Breite von 1,80 Metern steht das schmalste Haus von Quedlinburg in der Wassertorstraße 18, was auf der Frontseite für immerhin vier Fenster gereicht hat. In das Jahr 1347 reicht das älteste Gebäude zurück, dessen Dach noch mit Ziegeln gedeckt ist, die in der Römerzeit gebrannt wurden. Noske erklärt, die Technik der ersten Harteindeckung und weshalb der eine Ziegel „Nonne“, der andere „Mönch“ bezeichnet wird. Das Haus war bis 1964 noch bewohnt.

Straßennamen verraten weitaus mehr als Anschriften. Gleich an zwei Weggabelungen in der Altstadt treffen die Bezeichnungen Pölle und Hölle aufeinander. Wer vom Marktplatz aus in Richtung Osten geht, stößt unweigerlich auf ein auffälliges Eckhaus, den Höllenhof (Hölle 11). Das denkmalgeschützte Haus wurde zwischen 1215 und 1301 erbaut. Seinen Namen soll das mal als Unterkunft für die Bruderschaft domus Corporis Christi; später als Wohnsitz der Stadtschreiber und Kämmerer, genutzte Gebäude seiner „Schwarzen Küche“ (auch Rauchküche genannt) verdanken. Es ist das älteste noch erhaltene Steinhaus von Quedlinburg. Hier wurde im Innenhof auf offenem Feuer gekocht. Nebel und Rauch standen von weitem sichtbar über dem Gebäude.

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