Gewiss, an Schönheit braucht sich die „Venus vom Odenwald“ nicht hinter ihrer berühmten Schwester zu verstecken. Zu finden ist die Steinskulptur allerdings nicht so einfach, denn Seckach – der Ort, in dem eine Sandsteintafel verkündet, dass dort die Kunst zuhause ist – liegt am Rande des Odenwalds im Übergang zum Bauland, unweit der nordbadischen Stadt Adelsheim.
Die Kunst, das sind über 80 Skulpturen, die das Künstlerehepaar Marianne und Paul August Wagner im Laufe von 20 Jahren mit Freunden als „Versuch einer Freundschaft von Kunst und Wald“ errichtet haben. Der Skulpturenpark Seckach befindet sich in einem lauschigen Buchenwäldchen am Ortsausgang in Richtung Jugenddorf Klinge.
Auf mehreren Künstlersymposien haben Künstler aus Nah und Fern auf zwei Hektar verstreut ihrer Phantasie freien Lauf gelassen. Der Betrachter stellt schon bald fest, dass die Arbeiten aus Bronze, Sandstein, Beton, Holz sowie aus Wohlstandsmüll jeglicher Art sowohl eine philosophisch-historische Botschaft hat wie mit satirisch-ironischem Zungenschlag den Ernst der Dinge infrage stellt. Denn lange schon bevor die Bundeskanzlerin ein auffälliges Dekolleté gezeigt hat, ziert ein solches die Büste von Angela Merkel den Wegesrand – in einer Reihe mit Spartakus, Odysseus und Hänschen klein.
Der Gesichtsausdruck vieler aus Stein gehauener oder mit kantigen Zügen in Beton gegossener Figuren lässt ahnen, wer sich hier über wen lustig macht. Leuchtende Glaskugeln hauchen den Sandstein- und Holzfiguren ein immer währendes Leben ein und vermitteln dem Besucher unweigerlich das Gefühl, von Dutzenden Augen beobachtet zu werden. Die Grenzen zwischen Betrachter und Objekten verschwimmen. Mal schauen skurrile Fratzen aus dem Dickicht hervor – wenige Meter weiter blickt der Besucher ehrfurchtsvoll hinauf auf die schmucken Phantasiegeschöpfe, die auf ihren meterhohen Säulen wie für die Ewigkeit geschaffen thronen. In der „Arena des Wahnsinns“ laden Sitzgelegenheiten aus Steinplatten zum Verweilen ein. Das Atrium mit seinen südländlich anmutenden Steinwänden und -torbögen dient seit seiner Erschaffung als Ort für kulturelle und musikalische Veranstaltungen.
Wenige Meter davon befindet sich das einzige bewegliche Kunstwerk, das im Kontrast zu den steinernen und hölzernen Monumenten steht. Zwischen Säulen hängen die einem Gerippe ähnlichen Reste eines Fahrrads, das sich dank der frei schwingenden Seilkonstruktion und zwei seitlich daran befestigter Bretter leicht in Bewegung setzen lässt. Das fliegende Fahrrad ist Teil der Leichtigkeit, mit der die Künstler die Schwerkraft zu überwinden versuchen. Auch der einflügelige Engel von Marianne Wagner bittet darum, „Spiel mir das Lied vom Wind“ und unter der großen Säule daneben steht geschrieben „Heiterkeit ist die Leiter zum Himmel“.
Alltagsgegenstände wie Schuhe, ein Sägeblatt und eine Trompete, die gewöhnlich nach Gebrauch zum Abfall wandern, hat Paul August Wagner mit Bronze überzogen und auf vierkantigen Säulen für die Nachwelt konserviert: „Unser Reichtum ist der Müll von morgen.“ Auf zwei Säulen montierte Fahrradspeichen säumen den Weg, der weitere Überraschungen bietet. Eine aufgestellte Sandsteinplatte besitzt eine verriegelte Tür – einige Schritte davon entfernt warnt ein erotischer Blickfang davor: „Wahre Liebe bekommt man nicht für Falschgeld“. Außergewöhnlich ist auch das abstrakte Monument „Thron des Herakles“. Hier liegen unzählige Bruchstücke, die dazu anregen, in diese eine Ordnung bringen zu wollen. „Helden hinterlassen Trümmer“, lautet der Titel des Gemeinschaftswerks während des letzen Symposiums aus dem Jahr 2005.
Etliche Kunstschulen haben sich in den zwanzig Jahren Anregungen im Skulpturenpark geholt. Oft war der 4400-Seelen-Ort Schauplatz von Kunstveranstaltungen und unvergessen sind die Abende, an denen Paul August Wagner auf dem Saxophon seine Gäste unterhielt. Das inzwischen im Rentenalter angekommene Künstlerehepaar aus Berlin gibt unumwunden zu, wie es nach Seckach gekommen ist: „Wir wollten nach Karthago segeln und strandeten im Odenwald“. Ihr Zuhause haben sie inzwischen in einen anderen Teil des Odenwalds verlegt. Neuere Skulpturen stehen im Kurpark von Bad König, an dessen Rand (Nähe Sportgelände) sich auch die „Kunststation 1“ befindet. In Seckach ist es jetzt Sache der Natur, den Kunstgegenstände ihren Stempel aufzudrücken.
Wegbeschreibung nach Seckach:
A 5 Richtung Heidelberg, bei Walldorf auf die A 6 Richtung Heilbronn, dann A 81 Richtung Würzburg, Abfahrt Osterburken Richtung Buchen, ausgeschildert Seckach
Oder durch den Odenwald auf der B 47 über Michelstadt nach Amorbach, Walldürn nach Buchen Richtung Osterburken
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